Stellungnahme zur Neuregelung des Besoldungsrechts in Niedersachsen

Braunschweig, den 24. Februar 2015

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Verband der niedersächsischen Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter e. V. (VNVR) bedankt sich für die ihm gegebene Gelegenheit, zu dem im Betreff bezeichneten Gesetzesvorhaben Stellung zu nehmen.

Vorangestellt sei eine Bemerkung zu der nach dem Gesetzentwurf vorgesehenen Höhe der Richterbesoldung: Die in der Übergangsregelung in § 72 Absatz 3 enthaltene betragsmäßige Zuordnung der Richterinnen und Richter in die neue Grundgehaltstabelle (Anlage 3 Nr. 4) würde zur Folge haben, dass für die bereits vorhandenen Richterinnen und Richter zwar keine individuelle finanzielle Verschlechterung eintritt, die Besoldung aber andererseits in ihrer Höhe unverändert festgeschrieben wird. Erwägungen dazu, ob dies mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf amtsangemessene Alimentation der Richter vereinbar ist, finden sich in dem Gesetzentwurf nicht ansatzweise. Dies stellt vor dem Hintergrund der bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zur Amtsangemessenheit der Richterbesoldung (2 BvL 17/09, 2 BvL 18/09, 2 BvL 3/12, 2 BvL 4/12, 2 BvL 5/12, 2 BvL 6/12, 2 BvL 1/14) eine erstaunliche Nichtachtung berechtigter Belange der Richterinnen und Richter dar. In den zugrundeliegenden Verfahren hatten die vorlegenden Verwaltungsgerichte mit umfangreichen Begründungen die Auffassung vertreten, dass die klagenden Richter nicht mehr verfassungsgemäß alimentiert worden seien. Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR) hat u. a. in gegenüber dem Bundesverfassungsgericht abgegebenen Stellungnahmen (zu finden unter www.bdvr.de) ebenfalls die Auffassung vertreten, dass eine verfassungswidrige Unteralimentation vorliegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 03.12.2014 bezeichnete es Präsident Voßkuhle als durchaus »irritierend«, dass in Europa neben Armenien nur Deutschland ein richterliches Einstiegsgehalt zahle, das unter dem Bruttodurchschnittslohn des Landes liege. Der aus Art. 33 V GG abgeleitete Grundsatz amtsangemessener Besoldung müsse konkrete Folgen zeitigen, wenn er nicht zum »zahnlosen Tiger» verkommen solle. Der niedersächsische Gesetzgeber ist aufgerufen, die Neuregelung der Richterbesoldung so vorzunehmen, dass die nach den oben wiedergegebenen Stimmen mindestens bestehenden Zweifel an der Amtsangemessenheit der Richterbesoldung ausgeräumt werden.

Dies vorausgeschickt äußert sich der VNVR im Einzelnen wie folgt:

  1. In § 18 des Entwurfes ist geregelt, dass die Besoldungen entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unter der Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben verbundenen Verantwortung durch Gesetz regelmäßig angepasst wird. Diesbezüglich ist hier nicht erklärlich, wieso demgegenüber sich die Abgeordneten des Landtages eine Erhöhung ihrer Diäten in einem Automatismus gewährt haben, der insbesondere die Entwicklung der Lebenshaltungskosten unmittelbar abbildet. § 6 Abs. 4 des Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages (Niedersächsisches Abgeordnetengesetz, in der Fassung vom 20. Juni 2000, Nds. GVBl. 2000, 129, zuletzt geändert durch § 31 des Gesetzes vom 03. November 2014, Nds. GVBl. S. 301) bestimmt, dass die Grundentschädigung jeweils zum 1. Juli eines Jahres, beginnend mit dem 1. Juli 2014, an die Einkommensentwicklung angepasst wird, die jeweils vom Ende des abgelaufenen Kalenderjahres gegenüber dem Ende des vorangegangenen Kalenderjahres eingetreten ist. Maßstab für die Anpassung ist hierbei die Veränderung des Nominallohnindexes für Niedersachsen. Sachliche Differenzierungskriterien, die insoweit eine Ungleichbehandlung tragen würden, sind nicht zu erkennen.
  2. In § 21 ist die Zuordnung von Funktionen zu Ämtern geregelt: Der Entwurf regelt in § 21 Abs. 1 Satz 3, dass eine Funktion bis zu drei Ämtern einer Laufbahngruppe zugeordnet werden kann; Satz 4 ergänzt, dass ausnahmsweise eine Funktion aus besonderen sachlichen Gründen auch mehr als drei Ämtern zugeordnet werden kann. Mit dieser Neuregelung, die ähnlich schon im Haushaltsbegleitgesetz 2014 stand, versucht der Gesetzgeber, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Ämterbewertung Rechnung zu tragen. Geht man allerdings davon aus, dass das Laufbahnprinzip und mit ihm die Zuordnung von Funktionen zu Ämtern einer der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG ist, so wie es im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung herleitet, so bestehen Zweifel, ob die genannte Regelung mit höherrangiges Recht (Art. 33 Abs. 5 GG) vereinbar ist. Soweit der Entwurf in seiner Begründung Seite 4 ausführt, dass die Neuregelung zur Dienstpostenbewertung die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urteil vom 30. Juni 2011, – BVerwG 2 C 19.C -) übernehme, nach der grundsätzlich eine Zuordnung von Funktionen zu höchstens drei aufeinanderfolgenden Ämtern einer Laufbahngruppe möglich sei, und ausnahmsweise eine über drei Ämter hinausgehende Bündelung bei Vorliegenden besonderer sachlicher Gründe zulässig sei, und dass diese Dienstpostenbündelung mit dem Leistungs- und Alimentationsgrundsatz sowie dem Grundsatz der amtsangemessenen Verwendung vereinbar sei, sind Zweifel anzumelden. Dies ist der genannten Entscheidung nicht ohne weiteres zu entnehmen. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 07. März 2013, – 2 BvR 2582/12 –, juris) kann man vielmehr auch auf die Notwendigkeit einer konkreten Funktionszuordnung schließen.
  3. Zu begrüßen ist dem Grunde nach, dass durch den Gesetzentwurf die  Kommunalbesoldungsverordnung aufgehoben und stattdessen in § 26 allgemein Obergrenzen für Beförderungsämter festgelegt werden. Unerklärlich ist insoweit indes, wieso nach § 26 Abs. 2 hiervon wieder eine Ausnahme für die obersten Landesbehörden gemacht werden soll. Dadurch, dass in § 26 Abs. 2 Ziffer 6 ebenfalls die Kommunen von der Regelung des § 26 Abs. 1 freigestellt werden, ist zu befürchten, dass ein sachlich nicht gerechtfertigter Beförderungskreislauf bei Kommunen entsteht. Soweit die Begründung des Entwurfes (dort Seite 5) ausführt, dass die Regelung über die Obergrenzen für Beförderungsämter nicht mehr auf den kommunalen Bereich anwendbar sei und dies dem Bedürfnis der Kommunen nach einer flexibleren Personalbewirtschaftung Rechnung trage, ermöglicht die Neuregelung ausufernde Beförderungen, die die kommunale Handlungsfähigkeit in finanzieller Hinsicht noch weiter einschränken. Bezeichnenderweise geht die Gesetzesfolgenabschätzung (Seite 11) auf die Freigabe der Stellenobergrenzen bei Kommunen nicht ein.
  4. Es wird vorgeschlagen § 27 Abs. 1 Satz 3 um eine Regelung zu erweitern, nach der auch die Zeiten einer Tätigkeit als Rechtsanwalt, Notar oder als Assessor bei einem Rechtsanwalt oder Notar oder Zeiten einer nach dem Erwerb der Befähigung zum Richteramt aufgenommenen beruflichen juristischen Tätigkeit bei einem privatrechtlichen Arbeitgeber zwingend als Erfahrungszeiten zu berücksichtigen sind. Nur durch eine solche Regelung wird der in der Begründung erwähnten Zielsetzung des Gesetzes, die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu stärken, ausreichend Rechnung zu tragen. Ohne eine solche Regelung, wie sie beispielsweise auch in Berlin gilt (§ 38a Abs. 1 Nr. 2 BBesG BE), werden Rechtsanwälte zukünftig noch schwerer für den Richterberuf zu gewinnen sein.
  5. Die Anrechnungsvorschriften in § 27 Abs. 1 Sätzen 4 und 5 sollten als bindend und nicht bloß Ermessen eröffnend ausgestaltet werden, um eine inhaltlich vollständige gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen des LBV über die Anrechnungszeiten zu ermöglichen. Den Umständen des Einzelfalls kann hinreichend im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffs „für die Verwendung förderlich“ Rechnung getragen werden.
  6. Zur Umstellung des Besoldungssystems auf Erfahrungsstufen fehlt in dem Entwurf eine Regelung dazu, wie die zahlreichen Widersprüche, die bei den Besoldungsstellen noch anhängig sind, abgearbeitet werden sollen.
  7. Zu § 32 des Entwurfs über Leistungsbezüge für Professorinnen und Professoren hat sich schon die bisherige Regelung in der Praxis nicht bewährt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Professorenbesoldung lässt im Übrigen auch den Schluss zu, dass derartige Leistungsbezüge nicht – wie in § 32 Abs. 1 Satz 2 formuliert – in dem Sinne einer Ermessensnorm gewährt werden „können“, sondern dass insoweit als Ausfluss der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG ein Rechtsanspruch zu formulieren ist. § 32 Abs. 3 regelt die Zuständigkeit für Entscheidungen über die Gewährungen von Leistungsbezügen. Ein Großteil der Vorschriften über das Verfahren, die Voraussetzungen und die Kriterien der Gewährung von Leistungsbezügen wird durch § 32 Abs. 5 einer künftigen Verordnung des MWK im Einvernehmen mit dem MF überantwortet. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 32 Abs. 5 Satz 3 gleichzeitig den Hochschulen weitgehende Entscheidungsspielräume für die Gewährung von Leistungsbezügen zubilligen will. Insofern wird nicht klar, wie beide Ziele – Hochschulentscheidungsspielräume als auch rechtssicheres Verfahren und Regelung der Voraussetzungen durch die Ministerialbürokratie – gleichzeitig erreicht werden sollen.
  8. Die Vorschrift des § 55 über einen Personalgewinnungszuschlag scheint gänzlich entbehrlich. Das Land Niedersachsen sollte sich bemühen, nicht die Schere zwischen den Besoldungen vergleichbarer Funktionen im Verhältnis etwa zu Bayern oder Baden-Württemberg weiter aufklaffen zu lassen; dann wäre ein Personalgewinnungszuschlag gänzlich überflüssig. Dass ein solcher auch für B-Besoldungen vorgesehen sein soll, erschließt sich nicht.
  9. Nach der Übergangsregelung in § 72 Abs. 3 wird für Richter die Zuordnung zu den neuen Besoldungsstufen ausschließlich anhand des bisher bezogenen Grundgehalts vorgenommen, welches unionsrechtswidrig strikt am Lebensalter orientiert war. Das VG Berlin hat in seinen Vorlagebeschlüssen vom 12.12.2012 und ergänzend vom 19.12.2014 (7 K 156.10 juris) die Auffassung vertreten, dass bei dieser Art der Überleitung in das neue System der Erfahrungsstufen die derzeitige unionsrechtswidrige Besoldung der jüngeren Richter nach dem Lebensalter perpetuiert wird. Auch wenn die Entscheidung des EuGH im Verfahren C-20/13 abzuwarten bleibt, besteht Anlass auf diese sich aufdrängende rechtliche Problematik hinzuweisen und um Abhilfe zu bitten. Ansatzpunkte zeigen das VG Berlin sowie Lobmüller/Wahle im BDVR-Rundschreiben 3/2014, S. 149 ff. auf.

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