Gesetzentwurf zur Überleitung und Änderung des Beamtenversorgungsrechts sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften

Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor ich auf den Gesetzesentwurf eingehe, bedanke ich mich zunächst für die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Verband der niedersächsischen Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter (VNVR) begrüßt das Bestreben des Landes Niedersachsen, das Beamtenversorgungsrecht und Richterversorgungsrecht aus Gründen der Rechtsklarheit und Übersichtlichkeit in einem eigenständigen „Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetz“ zu regeln. Nach § 1 Abs. 2 NBeamtVG gilt das Gesetz entsprechend für die Versorgung der Richter des Landes Niedersachsen. Der Verband begrüßt ferner die Ankündigung des Landes, hierbei keine (weiteren) Einschränkungen im Versorgungsrecht, insbesondere bei dem höchstmöglichen Ruhegehaltssatz, dem jährlichen Steigerungssatz und bei der Berücksichtigung von Ausbildungszeiten vorzunehmen.

Das Ziel des Gesetzes, im Bereich der Beamten-und Richterversorgung ein aktuelles, auf die Bedürfnisse des Landes Niedersachsen abgestimmtes, anwenderfreundliches Landesrecht zu erhalten, das seine Orientierung an den bundesrechtlichen Regelungen nicht aufgibt und die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen beachtet, ist aus Sicht des VNVR allerdings nicht im vollen Umfang erreicht. Dies gilt insbesondere für die Neugestaltung der richterlichen Altersgrenze.

Der Gesetzesentwurf gibt zunächst Anlass, daran zu erinnern, dass zu einer funktionsfähigen Justiz auch eine angemessene Besoldung und Versorgung von Richtern und Staatsanwälten gehört. Die Tatsache, dass seit der Föderalismusreform die Bundesländer u.a. für das Besoldungs- und das Versorgungsrecht zuständig sind, darf nicht dazu führen, dass durch landesrechtliche Regelungen allein aus Gründen der Haushaltskonsolidierung weitere gravierende Einschnitte im Besoldungs- und im Versorgungsrecht erfolgen. Im Besoldungsrecht ist leider bereits jetzt festzustellen, dass in Niedersachsen die Höhe der derzeitigen R-Besoldung nicht mehr den grundgesetzlichen Anforderungen an eine amtsangemessene Besoldung genügt. Auch ist nicht zu übersehen, dass sich das Land Niedersachsen bei der Höhe der gewährten Richterbesoldung im Vergleich zu allen anderen Bundesländern deutlich am unteren Ende eingereiht hat. Im Versorgungsrecht sind besonders seit 1992 zu Lasten der Landesbediensteten massive Einsparungen erfolgt (Linearisierung der Ruhegehaltsskala, Erreichen des Ruhegehaltshöchstsatzes erst bei 40 Dienstjahren, Versorgungsabschläge von 3,6% pro Jahr bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand, Ausbildungszeiten nur noch begrenzt berücksichtigungsfähig, Bildung einer Versorgungsrücklage durch Kürzung der verfassungsrechtlich gebotenen Besoldungs-und Versorgungsanpassungen, Senkung des Ruhegehaltssatzes von 75% auf 71,75%, Senkung des Witwengeldes von 60% auf 55% etc.). Die Beibehaltung des „Status Quo“ im Versorgungsrecht, die in der Begründung des NBeamtVG als Vorteil für die Landesbediensteten hervorgehoben wird, erweist sich bei näherer Betrachtung daher lediglich als Fortschreibung der bereits in der Vergangenheit erwirkten massiven Sparmaßnahmen zu Lasten der Beamten und Richter.

Es ist dringend angeraten, die Alimentation der Richter und Staatsanwälte bundeseinheitlich zu regeln. Für die richterliche Tätigkeit in Deutschland gelten überall gleiche Anforderungen, so dass – auch zur Erhaltung der Unabhängigkeit der Justiz – identische Besoldungs-und Versorgungsstrukturen für sämtliche Richter bestehen sollten. Qualifiziertes Personal für die Justiz lässt sich nur mit einer entsprechenden Alimentation gewinnen und die einheitlich hohe Qualität der Rechtsprechung ist auf Dauer nur durch eine bundeseinheitliche Besoldung und Versorgung zu sichern. Anderenfalls droht zwischen den einzelnen Bundesländern ein „Besoldungswettlauf nach unten“ mit den damit verbundenen negativen Folgen. Unterschiedliche Besoldungs-und Versorgungsstrukturen führen dazu, dass finanzschwache Bundesländer Schwierigkeiten haben werden, qualifiziertes Personal für den öffentlichen Dienst zu finden. Dies hat sich beispielsweise bereits im Bildungsbereich (Abwerben von Lehrern etc.) offenbart. Schon jetzt ist festzustellen, dass infolge der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auch die Richterbesoldung in den einzelnen Bundesländern aufgrund der unterschiedlichen Kassenlage der jeweiligen Bundesländer sich deutlich auseinander entwickelt hat. Es besteht die Sorge, dass eine solche negative Entwicklung ebenso im Versorgungsrecht eintritt. Diese Sorge wird durch den vorliegenden Gesetzesentwurf verstärkt. In der Begründung wird beispielsweise ausgeführt, dass in Niedersachsen bei der Versorgung die Hochschulausbildung nebst Prüfungszeit weiterhin mit maximal bis zu drei Jahren berücksichtigt werden könne. Es wird betont, dass in Niedersachsen das Versorgungsrecht insoweit ungetastet bleibe, während im Dienstrechtsneuordnungsgesetz (DNeuG) nur noch zwei Jahre und vier Monate berücksichtigungsfähig seien. Damit wird nicht nur eine unterschiedliche Entwicklung des Versorgungsrechtes in Deutschland aufgezeigt, sondern mit der Betonung, dass der bisherige Status Quo unangetastet bleibt, wird der Eindruck erweckt, dass die bisherigen Sparmaßnahmen im Versorgungsrecht eine „Wohltat“ für die Landesbediensteten waren. Die juristische Hochschulausbildung nebst Prüfungszeit dauert regelmäßig weitaus länger als drei Jahre und die Beschränkung der Anrechenbarkeit der Hochschulausbildung auf maximal drei Jahre ist erst durch die Änderung des Versorgungsrechtes im Jahre 1999 eingeführt worden. Diese Kappungsgrenze stellt für die Richter einen ganz gravierenden Nachteil in der Versorgung dar. Sie hat negativen Einfluss auf den Ruhegehaltssatz, denn der Richter muss mindestens 40 Dienstjahre vorweisen, um einen Ruhegehaltssatz von 71,75% erreichen zu können. Mit der Kappungsgrenze wird dem Richter beispielsweise aber auch die Möglichkeit genommen, bis zum 65. Lebensjahr eine ruhegehaltsfähige Dienstzeit von mindestens 45 Jahren zu erreichen, um dann auf Antrag ohne Versorgungsabschläge in den Ruhestand gehen zu können (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 7 NBeamtVG). Sachgerecht wäre es vielmehr, die gesamte Ausbildungszeit einschließlich der Hochschulausbildung nebst Prüfungszeit als ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu berücksichtigen.

Der Gesetzesentwurf beinhaltet in Artikel 4 verschiedene Änderungen des Nds. Richtergesetzes. Kernpunkte sind dort die Anhebung der Altersgrenze auf die Vollendung des 67. Lebensjahres (mit Übergangsregelung), die Möglichkeit, nach Erreichen des 60. Lebensjahres auf Antrag vorzeitig in den Ruhestand zu gehen (mit Versorgungsabschlägen) und die Möglichkeit des Hinausschiebens der Altersgrenze um bis zu ein Jahr, wenn der Richter einen entsprechenden Antrag stellt und zwingende dienstliche Gründe dem nicht entgegenstehen.

Der Verband begrüßt das Bestreben des Landes, den Ruhestandseintritt für Richter zu flexibilisieren. Dies betrifft auch die in § 11 Abs. 5 NRiG eröffnete Möglichkeit, sich nach Erreichen des 60. Lebensjahres in den Ruhestand zu versetzen zu lassen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass dies mit ganz erheblichen Versorgungsabschlägen in Höhe von mehr als 25 Prozentpunkten verbunden wäre und deshalb nur ganz wenige Richterinnen und Richter finanziell in der Lage sein werden, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Der Zeitraum, um den die Altersgrenze auf Antrag hinausgeschoben wird, sollte nicht kürzer als bei Beamten geregelt werden. Es ist nicht sachgerecht, dass die Altersgrenze bei Richtern nach § 11 Abs. 6 NRiG nur um bis zu einem Jahr hinauszuschieben ist, während Beamten ein Hinausschieben um drei Jahre ermöglicht wird. Bei der Regelung der Altersteilzeit für Richter in § 6 Abs. 2 NRiG würde der Verband es begrüßen, wenn der Richter alternativ Altersteilzeit im sog. Blockmodell in Anspruch nehmen könnte (Weiterarbeit im vollen Umfang bei verringerten Dienstbezügen und anschließende Freistellungsphase mit verringerten Dienstbezügen). Es sollten in diesem Sinne zumindest Abweichungen zugelassen werden, sofern dem Blockmodell dienstliche Gründe nicht entgegenstehen.

Unter Bezugnahme auf das grundsätzlich zu begrüßende Ziel des Gesetzentwurfs, „die Möglichkeiten einer individuellen Ausgestaltung der Lebensarbeitszeit für Richterinnen und Richter zu erweitern und damit deren Eigenverantwortung und Motivation weiter zu stärken“, regt der VNVR an, auch Richterinnen und Richtern die Inanspruchnahme eines Freijahres, sog. Sabbatjahr, zu eröffnen. Eine solche Möglichkeit besteht für Beamtinnen und Beamten durch die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung bei Erhöhung der Arbeitszeit bis zur regelmäßigen Arbeitszeit während des einen Teils des Bewilligungszeitraums mit anschließender ununterbrochener voller Freistellung vom Dienst gemäß § 8a Abs. 1 der Nds. Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten (Nds. ArbZVO). Eine vergleichbare Regelung sollte auch für den richterlichen Dienst geschaffen werden. Bei der vorgesehenen Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre gilt dies erst recht, weil wegen zu befürchtender zunehmender altersbedingter Einschränkungen Vorhaben mit einem größeren Zeitbedarf noch weniger, als es schon bisher der Fall ist, auf die Zeit nach dem Eintritt in den Ruhestand verschoben werden können.

Die generelle Anhebung der Regelaltersgrenze für Richter auf 67 Jahre hält der VNVR schon aus arbeitsmarktpolitischen Gründen für verfehlt. Die generelle Anhebung der Regelaltersgrenze wird dazu führen, dass junge qualifizierte Juristen nicht zeitnah in den richterlichen Dienst nachrücken können, weil die vorhandenen Planstellen, die zudem laufend reduziert werden, besetzt bleiben. Ziel einer Reform sollte die Verjüngung der Altersstruktur im richterlichen Dienst sein. Eine Flexibilisierung des Eintritts in den Ruhestand wird nicht erreicht, wenn man einerseits die Regelaltersgrenze generell auf 67 Jahre anhebt und andererseits die Möglichkeiten der vorzeitigen Pensionierung von erheblichen Versorgungsabschlägen abhängig macht. Die Motivation und Eigenverantwortung des Richters wird hierdurch ebenfalls nicht gestärkt. Sinnvoll wäre vielmehr insoweit eine Regelung entsprechend der in § 11 Abs. 6 NRiG aufzunehmen, dass ein Richter auf Antrag, d.h. auf freiwilliger Basis, bis zum Erreichen des 67. Lebensjahres weiterzubeschäftigen ist, sofern keine zwingenden dienstlichen Gründe entgegenstehen. Der finanzielle Anreiz, einen solchen Antrag zu stellen, nämlich weiterhin Bezüge aus einem aktiven Dienstverhältnis beziehen zu können, liegt auf der Hand. Auf der anderen Seite kann das Land Niedersachsen Interesse an einer Weiterbeschäftigung nur bei solchen Richtern haben, die entsprechend motiviert sind und auf deren Erfahrung das Land nicht verzichten möchte und bei denen auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Weiterbeschäftigung gegeben sind. Im Zusammenhang mit der Verlängerung der Regelaltersgrenze im öffentlichen Dienst ist schon von anderer Seite zu Recht darauf hingewiesen worden, dass bereits die Regelaltersgrenze von 65 Jahren von vielen Landesbediensteten krankheitsbedingt nicht erreicht wird und dieser Trend u.a. von den zunehmenden beruflichen Belastungen negativ beeinflusst wird (vgl. etwa die Pressemitteilung des DGB vom 12.10.2010). Mit einer entsprechenden flexiblen Antragsregelung könnte das Land Niedersachsen außerdem vermeiden, dass auch in solchen Bereichen eine Weiterbeschäftigung erfolgt, in denen Personal abgebaut werden müsste.

Mit freundlichen Grüßen

Müller-Fritzsche